Wozu dienen Gefühle?


Immer wieder liest und hört man es in den Medien, wenn Menschen abrupt, aus dem Nichts heraus ihr Verhalten ändern und beispielsweise auf eine andere Person gewaltvoll losgehen oder diese mit verbalen Attacken bombardieren. Hinter diesem blitzartigen Auftreten von Verhaltensänderungen stehen Emotionen. „Nichts scheint unvernünftiger zu sein als eine Emotion. Ganz plötzlich steigt sie hoch, binnen Millisekunden, ohne Überlegen – unkontrolliert, einseitig und gnadenlos subjektiv. Emotionen werfen uns aus der Bahn, blockieren das Denken, treiben uns zu Raserei und Mord.“

Über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg wurden Emotionen von Philosophen und Wissenschaftlern als unvernünftig, unkontrollierbar und irrational angesehen. Nur wer in der Lage war, völlig frei und „gereinigt“ von Emotionen zu sein und zu agieren, konnte wahre Unabhängigkeit erlangen. Heutzutage sieht man die Emotionen und daraus resultierenden Affekte nicht mehr so einseitig und negativ, sondern aus philosophischer Sicht als „kognitive, geistige Zustände; ja für so etwas wie Werturteile, die uns womöglich sogar Wissen über die Welt vermitteln.“ Dieser Erkenntnis schließen sich auch die Hirnforscher an, welche davon ausgehen, dass Emotionen „komplexe, weitgehend automatisierte Handlungsprogramme“ sind und das Erleben dessen „unsere subjektive Wahrnehmung“ ist.

Emotionen zeigen uns, wie wir zu gewissen Dingen stehen, wie wir sie beurteilen und ob wir dies oder jenes möchten. Von dieser Seite aus betrachtet haben sie nicht nur eine kognitive Dimension, sondern ebenso eine motivationale Rolle, indem sie beispielsweise beim Betrachten eines neuen Wohnhauses den Wunsch auslösen, selbst solch eins zu besitzen.

Das neue Bild über Emotionen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: „Emotionen erweitern unseren Geist. Sie unterstützen das rationale Denken und vermitteln uns Wissen über die Welt.“



Zitiert nach: Hohe Luft. Philosophie-Zeitschrift. Ausgabe 1/2012. Hohe Luft Verlag UG
Artikel: „Können Tränen denken?“ S. 34 – 39 von Thomas Vašek